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Der Sauerteig - Das unbekannte Wesen

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Du erwartest hier eine detailierte Liste von vielen Schritten, die man peinlich genau beachten muss?
Dann mache dich auf eine angenehme Überraschung gefasst: eine Sauerteigkultur ansetzen ist ganz einfach. Und was man dazu braucht, hast man meist im Haus, denn es sind nur: Mehl und Wasser.


Eine Hand voll (eine Hand voll = ca. 100 g; genauer brauchen wir es beim Sauerteig nicht!) Roggen-, Dinkel- oder Weizenmehl (Typ 1050 oder 1150) wird mit so viel lauwarmen Wasser ordentlich zusammengerührt, dass es ein Brei ähnlich eines Pfannekuchen-, oder Waffelteiges wird. Es wird abgedeckt und warm stehen gelassen. (optimal ist es auf dem Heizkörper mit einem untergestellten tiefen Teller). Alle 12 Stunden schlägt man den Brei ordentlich durch (bis er Blasen wirft) und stellst ihn wieder abgedeckt warm und ruhig hin.

Jeden Tag gibt man eine knappe Hand voll neues Mehl dazu, und rührst es mit lauwarmen Wasser wieder gut durch, dass es gerade wieder eine waffelteigartige Masse wird.

Dies wiederholen wir 4-5 Tage lang: Regelmäßig durchschlagen, jeden Tag etwas Mehl dazugeben und mit lauwarmen Wasser zu einem waffelteigartigen Teig verrühren.

In dieser Zeit wird der Getreidebrei teils heftig gären (und blubbernd aufgehen) und sauer werden. Dieses "Sauerwerden" kann man gut riechen. Das Blubbern muss aber nicht in jedem Fall deutlich sichtbar sein (es kommt auf die Bakterien an, die sich auf dem Sauerteig vermehren) und wird dann auch wieder abnehmen, wenn sich eine stabile Säure gebildet hat.

Nach einigen Tagen setzt dann auch die Verhefung ein, ein Prozess den man meistens nicht sehen kann. Aber oft kann man sie riechen, da dann der Brei teils ungewöhnlich und eventuell auch etwas unangenehm riecht. Aber keine Bange! Wenn sich die Konstellation von Kleinstlebewesen stabilisiert hat, geht der unangenehme Geruch auch wieder weg und es tritt ein ganz angenehmer Duft an dessen Stelle, der nach frischem Quark oder Zitrusfrüchten, vielleicht auch ein wenig nach Balsamico-Essig oder einem frisch aufgeschnittenem Apfel erinnert.

Oft wird zum Starten von Sauerteig die Zugabe von Bäckerhefe, Kümmel, Kartoffelwasser, Zwiebelwürfel oder sonstigen Zutaten geraten oder gar verlangt. Ich halte nichts davon, da diese Zutaten die normalerweise im Getreide, im Mehl und in der Luft vorhandenen Keime, die wir für das Ansetzen des Sauerteiges brauchen, stören und teils verdrängen. Diese Zutaten haben aber andere Bakterien und Pilzsporen, die dem jungen Sauerteig nicht helfen. Sie würden in einem stabilen Sauerteig auch ganz schnell wieder eingehen. Deswegen lassen wir diese Zutaten besser gleich weg und beschränken und nur auf Mehl und Wasser.

Es kann sein, dass die Spontansäuerung nicht in der gewünschten Art einsetzt und doch fremde Bakterien und Pilze die Mehl-Wassermasse besiedeln. Dieses erkennt man an einer deutlichen Verfärbung (rot, schwarz, blau oder grün), wenn der Teig ekelhaft stinkt oder wenn sich Schimmelpilz"haare" bilden. Auch wenn die Kultur ganz streng nach Essig stinkt (also nicht nur angenehm nach Essig duftet) ist etwas schief gelaufen. Dann ist der Ansatz verdorben und muss leider entsorgt werden. Es empfiehlt sich, dass benutzte Geschirr gründlich mit ganz heißem Wasser zu reinigen, gut durchtrocknen zu lassen und es ggf. mit anderem Mehl neu zu probieren, oder sich eine stabile Sauerteigkultur zu besorgen.

Nach den 4-5 Tagen haben wir eine ganze Menge an Sauerteigkultur herangezüchtet, die wir aber nicht alle brauchen. Wir nehmen einfach mal 400-500 gr ab (so dass gerade eine gute Handvoll für den Sauerteig übrigbleibt) und verbacken es mit genauso viel Mehl und wenig Wasser (die Kultur ist ja sehr flüssig) und vielleicht etwas Hefe (die wir jetzt zum letzten Mal brauchen) zu einem Brot:

500 g Sauerteig
500 g Weizen- oder Roggenmehl (1050er Weizen oder 1150er Roggen)
1 gestr. Eßlöffel Salz
1/4 Würfel Bäckerhefe (10-15g), wenn wir keine 4 Stunden Zeit zum Warten haben
200 ml lauwarmes Wasser
werden
(wenn es Weizenmehl ist:) gut durchgeknetet,
(wenn es Roggenmehl ist:) einfach nur durchgeknetet, daß es keine Mehlnester mehr gibt (Achtung, Teig klebt sehr!).
Wir formen eine Kugel und geben den Teigling auf ein mit Backpapier belegtes Backblech.
Ofen auf 220°C vorheizen und den Teigling an einer warmen Stelle 1 Stunde gehen lassen.
Das Brot ca 2 cm tief einschneiden und in den heißen Ofen schieben.
Danach eine halbe Tasse Wasser auf den Ofenboden gießen (Achtung, Verbrennungsgefahr!).
Nach 15 Minuten auf 180°C zurückdrehen und ingesamt 50-60 Minuten backen. Auf einem Rost unter einem Tuch abkühlen lassen. Roggenbrot erst am nächsten Tag anschneiden!


Dies ist, sei nicht erstaunt, unser allererstes eigenes und richtiges Sauerteigbrot. Zwar noch vielleicht ein klein wenig Hefe drin (weil die wilde Sauerteighefe noch etwas langsam ist), aber ein echtes Sauerteigbrot! Herzlichen Glückwunsch, es ist geschafft!

Die übriggeblieben Sauerteigkultur stellen wir in einem gut ausgespülten und nochmal mit kaltem Wasser ausgeschwenktem sauberen und leeren Marmeladenglas in den Kühlschrank. Wir werden diesen durch "Führen" ("Füttern") -> "3. einen Sauerteig backfertig machen" wieder zu einem schönen Sauerteig machen, wenn wir es brauchen. Und dann machen wir ein Brot garantiert ganz ohne Bäckerhefe.

Die schwierigste Arbeit ist getan! War es schlimm? Sicher nicht!

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