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Der Sauerteig - Das unbekannte Wesen

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Eine Herausforderung für jeden Hobbybäcker sind sicher die eigenen frischen Sonntagsbrötchen. Und die natürlich möglichst so, daß man sie von den gekauften Brötchen nicht unterscheiden kann.


Das Grundrezept ist einfach: 500g Weizen-, Dinkel, oder Roggenmehl, 250g Sauerteig, 1Teel. Salz und ausreichend lauwarmes Wasser (ca 300 ml). Ergänzt werden kann es vielfältig und nach Geschmack mit Butter, Buttermilch, Öl, Mandeln, Sonneblumenkerne usw. Zum Bestreuen eignet sich Mohn- und Sesamsaat, Kümmelsamen, Leinsamen, Grobsalz oder geriebenen Käse.

Alles wird ausreichend und gut gemischt, und dann 10 Minuten intensiv geknetet (wenns kein Roggenmehl war). Danach lassen wir den Teig für ca 40 Minuten warm ruhen, ehe wir ihn nochmal durchkneten und dann in 50g-Stücke abteilen. Diese werden dann zu runden Brötchen geformt, kurz in warmes Wasser getunkt und dann die gewünschten Saaten gedrückt.

Die Teiglinge lassen wir 90 Minuten ruhen, ehe wir sie tief einschneiden und dann in den auf 220°C vorgheizten Ofen schieben. Am Anfang gießen wir eine Tasse Wasser auf den heißen Ofenboden und schließen die Ofenklappe schnell wieder. Nach 15 Minuten sind die Brötchen fertig und können herausgeholt werden.


5.2.1 Brötchen formen

Immer wieder kommt die Frage auf, warum das Kleingebäck, in das wir so viel Liebe stecken, so abhängig von der Schwerkraft wird und sich wie ein Amerikaner flach macht.

Ein kleiner Ausflug in die Lehre vom Teig-Gehenlassen:
Jeder (Hefe-)Teig hat hat 2 Tendenzen: erstens sich zu vergrößern (und das in alle RIchtungen) und sich der Schwerkraft zu beugen (dann wird er flach wie ein schmelzender Schneemann).

Was kann man dagegen tun?
Man muß versuchen die eine Kraft ("Aufgehen") so einzusetzen, daß die andere Kraft "Schwerkraft" möglichst aufgehoben wird. Das geht nicht, höre ich jetzt sagen? Es geht! Euer Bäcker macht es jeden Tag und was der kann, könnt ihr auch. Wetten? Nur fehlt Euch dazu ein wenig Übung. Aber das kann man mit ein paar Tricks umgehen (dann dauert es eben ein paar Sekunden länger - was der Bäcker nicht hat: Zeit)!

Schauen wir uns einmal einen Klumpen Teig an. Ein Haufen Mehl-Wasser-und-sonstiges-Pampe. Mehr oder weniger fest. Aber ein Haufen Pampe, die keine Struktur hat. Wenn wir diesen Haufen Pampe in Ruhe gehen lassen, wird er zwangsläufig größer und flach. Denn er geht in alle Richtungen (wie die Stacheln eines Kaktus) und "alle Richtungen" unterliegen gleichzeitig der Schwerkraft (neigen sich also runter zum Backblech).

Was können wir tun? Wir ändern die Struktur des Teiges! In eine längliche schmale Struktur. Wie die Holzringe eines auf dem Boden liegenden Stammes. Also viel Struktur, die senkrecht zur Oberfläche des Backbleches steht (und damit sich nicht "neigen" kann).

Soviel Theorie! Nun zur Praxis, was Ihr ja alle wissen wollt:

1. Variante (PROFI-METHODE):
Wir schleifen wie der Bäcker die Teiglinge. Dazu nehmen wir einen runden kleinen Teigbatzen (ca 50gr, also für ein einzelnen Brötchen) und legen ihn flach auf die Arbeitsplatte. Darauf legen wir die flache Hand und machen eine kleine Drehbewegung, sodaß der Teigling sich leicht unter der HAnd mitbewegt (wie ein Kugellager). Wenn wir nun langsam aber stetig die HAnd zu einer "Hohlhand" formen (und dabei weiterdrehen!!), passiert folgendes: die äußeren Teigschichten werden langsam aber sicher unter den Teigbatzen gedrückt. Wenn man lange genug macht (d.h. 4-5 "Umdrehungen") hat der Teig genug Spannung erhalten, um der Schwerkraft zu trotzen. So macht es der Bäcker (und das gleichzeitg mit 2 Händen und in 2 Sekunden)

2. Variante (FINGERSPITZENMETHODE):
Wir nehmen einen gut geformten Batzen Teig (wieder 50 gr für ein Brötchen) zwischen die Finger- und Daumenspitzen beider Hände. Und nun geht es los: wir "ziehen" mit den Fingerspitzen den Teig am Daumen vorbei und gleichtzeitig drücken wir den beigezogenen Teig mit den Daumen in den Teigling. 2-3 mal reicht. Danach leicht die Form "nachdrücken" und auf das Backblech damit (Das "Daumenloch" nach unten). Bäcker mögen mich bitte jetzt nicht schlagen! Diese Form ist natürlich eine "Verballhornung" des "Schleifens". Aber wir sind ja keine Bäcker und diese Formung ist einfacher als das echte "Schleifen".

3. Variante (NUDELHOLZMETHODE):
Jeder 50gr-Teigbatzen wird mit dem Nudelholz handflächengroß ausgerollt (mit etwas Übung kann man das auch mit der Faust drücken) und dann locker aufgerollt. Etwas nachformen und auf das Backblech (Naht nach unten) damit. Aufmerksame Leser werden eine Parallele zum Baquette-Rezept-Formen erkennen (ich gebe es zu!).


5.2.2 Brötchenkruste

Oft verzweifelt man an der Brötchenkruste. Vom Bäcker ist man ja die blättrige Kruste gewohnt, die man nach Möglichkeit nachahmen will.

Dazu zwei Nachrichten:
Zuerst die schlechte: genauso, wie es der Bäcker schafft, werden wir es nicht ganz schaffen. Aus zwei Gründen: erstens haben wir keine so tollen Profiöfen, wie die Bäcker und dann verhilft die chemische Industrie noch dem Können des Bäckers weiter nach.

Aber wir wollen ja mit ganz natürlichen Zutaten backen. Daher die gute Nachricht: unsere Krusten werden fast so gut, wie die Bäckerbrötchenkrusten. Aber viel gesünder.

Dazu muß man wissen, daß auch ein Bäcker die Brötchenkruste nur hinbekommt, wenn er Mehl mit sehr geringer Type (405 oder 550) nimmt. Jedes Vollkronbrötchen wird immer eine weiche Kruste haben, genauso, wenn man Fett, Öl oder Milch als Flüssigkeit im Brötchen verwendet.

Dann müssen wir die Bäckeröfen möglichst gut nachbilden. Dies erreichen wir, indem wir nicht auf Backblechen, sondern auf Brotbacksteinen backen. Nun müssen diese Backsteine, die wir auf ein Blech oder Kuchengitter so tief wie möglich in den Ofen schieben, sehr intensiv und lange vorgeheizt werden. Rechnen wir vorsichtshalber mit minimum 40 Minuten bei größt möglicher Hitze. Vorteilhaft ist es oft, beim Vorheizen die Umluft einzuschalten.

Danach werden die Brötchenteiglinge, die ca 90 Minuten gegangen sind, eingeschoben und mit Dampf in 15 Minuten bei voller Hitze abgebacken.

Was heißt "mit Dampf"?
Immer wieder liest man "Schale mit Wasser mit in den Ofen stellen". Ein echter Bäcker schwadet mit 4-5 Litern heißem Dampf, was soll also ein kleines Becherchen, das womöglich kaltes Wasser hat? Besser wird es, wenn man nicht das Wasser einfach auf den heißen Ofenboden gießen will,
eine Sprühflasche, wie zum Wäscheeinsprühen zu nehmen und wenn man 4-5 mal reinzusprühen (Nebel-Einstellung).

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